Was für ein charmanter Mann!

Morrissey im Congress Centrum Hamburg

morrissey460Die Große Freiheit oder das Docks hätten  für Morrisseys jüngsten Auftritt auch gereicht, denn  nur etwa 1500 seiner Fans waren bereit, zwischen 50 und 70 Euro für eine Karte zu bezahlen. Diejenigen, die das Geld nicht abgeschreckt  hat, werden den teuren Konzertbesuch jedoch nicht bereut haben, denn der gereifte “mancunian boy” zeigte wieder einmal, was für ein Ausnahmesänger er ist.

Sein großes Thema ist auch an diesem Abend die Liebe.“You can kick me / you can punch me/ you can break my face/but you won’t change the way I feel/ cause I love you” singt er in der Smiths-Nummer “Is It Really So Strange?”. Liebe muss etwas aushalten können und liegt immer sehr nah beim Leid, das ist Morrisseys Botschaft. Egal, ob hetero- oder homosexuelle Liebe, der Schmerz bleibt gleich. Seine Fans sind treu und hängen diesem Grandseigneur des New Wave an den Lippen, seit er vor einem Vierteljahrhundert mit seiner Band The Smiths auftauchte und mit seinen Songs die 80er-Jahre prägte wie niemand sonst. Das ist im wenig charmanten CCH nicht anders.

Schon beim ersten Ton von “This Charming Man”, ebenfalls ein früher Smiths-Hit, springt das Publikum von den Sitzen, drängt sich vor die Bühne, um “Mozza” nahe zu sein und ihn am liebsten zu berühren. Der Abend bekommt Club-Atmosphäre, angesichts des Tempos und der Lautstärke der exquisiten Band hätte es sowieso niemand in den Sesseln gehalten. Er hantiert mit dem  Mikrofonkabel wie mit einem  Lasso, er ist permanent in Bewegung, er wirkt wie Getriebener, der  seine Gefühle herauslassen MUSS, sei es Trauer, der Schrei nach Errettung oder einfach Wut wie in “Irish Blood, English Heart”, einer bitterbösen Abrechnung mit seiner Heimat.  In den Himmel sehnt er sich nicht, “when I die I want to go to hell”, singt er in “One Day Goodbye Will Be Farewell”.

Morrissey ist ein wortgewaltiger Poet und Romantiker vom Schlage eines John Keats, dem er in “Cemetry Gates” huldigt; ein Bohemien mit französischer Eleganz und Lichtjahre entfernt von den rüpelhaften Hooligans seiner Heimat. Natürlich bricht er ein Konzert ab, wie vor einigen Tagen in Liverpool, als ihn ein Bierbecher am Kopf traf. Morrissey war nie ein Punk, seine Wildheit ist kontrolliert, aber es brodelt ihn ihm. Humor hat er übrigens auch. In einer seiner wenigen Ansagen, warnte er sein Publikum davor, vor der Halle gefälschte Poster zu kaufen, die ihn zusammen mit Cliff Richard zeigen. “Der ist schon 72, aber er sieht auf dem Plakat jünger aus als ich. Kauft das nicht!”

Seine enthusiastischen Anhänger hätten sich noch Dutzende weiterer Songs gewünscht, doch nach 85 Minuten mit 20 Liedern und “Something Is Squeezing My Skull” als einziger Zugabe ist Schluss. Doch keine Pfiffe, kein Murren. Als das Saallicht aufleuchtet, trottet die Menge zum Ausgang. Zufrieden, erfüllt und beseelt.

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