Phoenix im ausverkauften Docks, Hamburg
Sie haben die Rockmusik nicht neu erfunden, doch sie machen alles richtig. Deshalb sind Phoenix derzeit die coolste europäische Band (das U.K. nehmen wir da mal aus) und die Lieblinge hipper (männlich) und schöner (weiblich) Thirtysomethings. Ihre Songs sind gerader New-Wave-Gitarrenpop mit dieser typisch französischen Nonchalance. Ihr Sänger Thomas Mars ist ein gutaussehender Frontmann ohne Allüren und ohne Berührungsängste. Im Zugabenteil der Hamburger Docks-Show steht er plötzlich auf einer der beiden Theken und bedankt sich für die euphorischen Reaktionen des Publikums. In der Anfangsphase der Band saß Mars noch hinterm Schlagzeug, doch weil niemand von seinen Kumpels singen konnte, musste er ans Mikro. Seitdem verpflichten Phoenix Gasttrommler. In Hamburg hatten sie den Schweden Thomas Hedlund dabei. Hedlund bearbeitet Trommeln und Becken als hätte er früher in den Wäldern Mittelschwedens Bäume gefällt – und zwar nicht mit der Kettensäge, sondern mit der Axt. Sein knallharter Stil bereichert den Sound von Phoenix und gibt ihm zusätzliche Wucht, besonders schön bei einem Song wie “Run Run Run” zu hören.
Das aktuelle Album der Band aus Versailles heißt “Wolfgang Amadeus Phoenix”, ihr Konzert beginnt die Band mit “Lisztomania”. Die Franzosen verehren diese großen klassischen Komponisten, doch ein Klassik-Rock-Crossover ersparen sie ihren Fans. Wäre auch nicht cool. An Liszt bewundern sie, dass seine Konzerte im 19. Jahrhundert regelmäßig außer Kontrolle gerieten, was bei Phoenix jedoch nicht passiert. Dafür ist ihr Publikum wiederum zu cool. Einen Ausflug in experimentellere Gefilde erlauben sie sich beim ersten Teil von “Love Like A Sunset”, da hat Thomas Mars Pause und die fünf Instrumentalisten ergehen sich in das minimalistische Ausloten einzelner Töne. Was die Hörgewohnheiten einiger weiblicher Anhänger doch überfordert, die sich angesichts der Klangfrickeleien lieber über die Vorzüge von Prada-Handtaschen aus lassen. Doch als Thomas Mars im zweiten Teil des Songs wieder auf der Bühne erscheint, ist die Aufmerksamkeitsschwelle wieder deutlich erhöht. Als er im Zugabenteil “Everything Is Everything”, den größten Hit der Band, allein mit Gitarrist Laurent Brancowitz als Ballade interpretiert, ist ihm ein Platz in den Träumen seiner weiblichen Anhängerschaft gewiss. Und all diejenigen, die beim letzten Song mit den Musikern auf der Bühne tanzen durften, werden davon sicher noch im kommenden Jahr schwärmen. Das hatte allerdings etwa von Kinderparty. Und war nicht ganz so cool.
Photos: ©Stefan Malzkorn/Hamburg